Grant Hart from Poppenbüttel
Meine Eltern bauten in den 70/80er Jahren ein Haus. In Hamburg-Poppenbüttel. Damals ein Dorf in einer Stadt. Kein Schick. Wenig Leben. Gummistiefel und 15 Minuten strammer Fussweg zum Bus. Danach eine 45-minütige Bahnfahrt zur Mundsburg. Meine damalige Schule. "Schulkameraden" wohnten nicht auf einem Dorf. Die einzige Begleitung in die "Stadt": mein Sony-Walkman und zig Kassetten. "Diverse" stand meistens drauf.

1986 hieß das Docks noch "Knopfs Music Hall". Auf das in der Halle stattfindende Konzert freute ich mich schon seit wenigstens drei Jahren: Hüsker Dü spielten Warehouse & Stories. Und alle meine Lieder, die ich jahrelang während der endlosen Bus- und Bahnfahrten gehört hatte. Mit den Kopfhörer auf den Ohren tötete ich alle. Führte Kriege. Fühlte mich am Ende und küsste die schönsten Frauen. Das Konzert war Ekstase. Für mich. Ein Jahr später lösten sich Hüsker Dü auf.

2010 schrieb ich eine Mail an Grant Hart, wann er wieder auf Tour kommen würde. Zwei Jahre später war es soweit. Eine handvoll Zuhörer kamen ins Konzert. Sehr beschaulich. Grant Hart sah lausig aus. Nach dem Konzert stellte ich mich vor. Er kannte meinen Namen - oder tat zumindest so - und erzählte tatsächlich sehr viel. Von vielen Plänen für die Zukunft. Und über Bücher. Am Ende half ich ihm noch einen Verstärker ins Hotel zu tragen. Ein trauriger Rockstar, der aber mit seiner Rolle irgendwie sehr zufrieden war. Ein paar Mal schickte ich eine Mail, ein paar Mal wurde geantwortet. Eher lustlos.

2015 schrieb er mich mit Namen - oder tat zumindest so - in einer E-Mail an. Versalien. Capslock permanent an. In einem Plauderton erzählte er von neuer Musik. Einem neuen Album. Einer Tour. Großartige Pläne. Verrückter Typ, dachte ich. Es folgten Mails mit Bildern von Hunden. Oder seinem Auto, einem Benz-Kombi. "Great car", hieß es. Ich war wieder in Ekstase. Witzig, dass der schreibt.

Mal kamen mehr Nachrichten. Manchmal gar nichts. Ich antwortete immer brav und vergaß dann und wann auch mal, dass eine Antwort aussteht. Die letzte Mail kam tatsächlich Weihnachten 2016: "Happy X-Mas to Poppenbuettel", den Ort habe ich 2012 erwähnt. Nicht in einer Mail. Im Gespräch nach dem Konzert. Warum hat der sich das gemerkt?!

Ich wohne da schon lange nicht mehr. Es folgten 15 Jahre St-Georg, danach Lüneburg. Hüsker Dü begleitete mich immer. Auch das völlig zerschossene Tour-Shirt trage ich ich immer noch und wurde immer wieder darauf angesprochen. Grant Hart ist gestern morgen an Krebs gestorben. Godspeed, boy who lives on heaven hill - yeah!